Zeitgenössische Druckgraphik

Ausgewählte Werke aus der Sammlung

Die Sammlung des Kunsthauses Grenchen umfasst heute rund 17‘000 vorwiegend druckgrafische Werke. Sie umfasst regionale, Schweizer und internationale Kunst vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Hier werden ausgewählte Werke aus der Sammlung vorgestellt. Die Beiträge werden in alphabetischer Reihenfolge in mehreren Etappen aufgeschaltet und laufend ergänzt.

Bastien Aubry, SHOPPING…, 2003, Holzschnitt auf Papier, 70 x 50 cm
Bastien Aubry

*1974 Zürich

Bastien Aubry verbindet in seiner Arbeit Kunst und Design. 2002 gründete er zusammen mit Dimitri Broquard das Design Studio FLAG, das sich vor allem auf Gestaltungsaufgaben im kulturellen Bereich konzentriert. Der Holzschnitt „Shopping“ ist Teil einer grösseren Plakatserie. Aubry spielt in diesen Drucken genauso mit der Sprache der Plakatwerbung wie mit unserer Alltagssprache. Darüber hinaus karikiert und unterläuft er die Regeln der Produktewerbung, in der jeweils nur eine Botschaft im Zentrum steht. Während der Zusammenhang von Shopping, Business und Fun vermutlich breite Zustimmung finden würde, sieht dies in Verbindung mit Fitness wahrscheinlich anders aus. Verpackt in einen Hamburger, der sehr wohl für Spass, jedoch weniger für Fitness steht, vermittelt das Plakat eine widersprüchliche, nicht ganz ernst gemeinte Botschaft und regt zur Reflexion über unser Konsumverhalten an.

Baum/Jakob, Connected in Isolation, 2013, Farbheliogravüre auf Büttenpapier, 38 x 26 cm
Jacqueline Baum und Ursula Jakob

*1966 Sion, *1955 Trubschachen

Ursula Jakob und Jacqueline Baum arbeiten seit 2009 zusammen. In ihrem Projekt «Connected in Isolation: Isolations- und Transformationsprozesse in Kunst und Wissenschaft» setzen sie sich mit Vorgängen und Prozessen bei der Isolierung von Objekten aus der Natur auseinander. Der mehrjährige Recherche- und Werkprozess resultiert in verschiedenen künstlerischen Arbeiten, so beispielsweise in einer Serie von Heliogravüren, die ausgesuchte Alpenblumen abbilden, oder einer Videoarbeit, die etwa die niederländische Massenproduktion von Tulpen mit flämischen Blumenstillleben in Verbindung bringt. Produktion und Reproduktion von Natur stehen dabei stets im Zentrum. Die Grenzen zwischen Natürlichkeit und Künstlichkeit werden ausgelotet. Das sehr delikate und aufwändige Verfahren zur Herstellung einer Farbheliogravüre ist in diesen Blättern meisterhaft umgesetzt.

Joseph Beuys, Hirschkuh, 1979, Lithografie, 54.4 x 73.8 cm
Joseph Beuys

*1921 Krefeld, † 1986 Düsseldorf

Mitte der siebziger Jahre begannen in jeweils begrenzter Auflage Lithografien des Aktionskünstlers, Bildhauers, Zeichners und Kunsttheoretikers Joseph Beuys zu erscheinen. Diese wurden mit Beuys’ Erlaubnis und unter seiner Aufsicht nach früheren Arbeiten hergestellt. Dazu gehört auch die Lithografie, die 1979 anlässlich der Verleihung des Kaiserringes der Stadt Goslar an Joseph Beuys nach der Zeichnung “Dreibein frisst Gras” (ca. 1958-62) entstand.
Beuys hat das Thema des Hirsches und der Hirschkuh vielfältig variiert. Bestimmt durch ein tiefverwurzeltes naturwissenschaftliches Interesse, hat sich der Künstler immer wieder mit der archetypischen Darstellung des Tieres beschäftigt. Es steht bei ihm für Natur, für das Ursprüngliche, für das von Zivilisation und Technik Unberührte. Dieses Ursprüngliche kommt bei der “Hirschkuh” durch die Annäherung der Darstellung an eine steinzeitliche Höhlenzeichnung besonders gut zur Geltung, sowohl wegen der äusseren Form als auch durch die Farbe, ein warmes Braunocker. Beim Hirsch oder bei der Hirschkuh spielen hier aber auch traditionelle Symbolgehalte mit; das Herdentier, die Hirtenvorstellung und vor allem die christliche Symbolik. Gerade in diesem Zusammenhang wird der Hirsch oft als das Geistige gesehen, das über die Materie siegt.

Roman Candio, Ohne Titel, 1984, Holzschnitt auf Bütten, 50 x 35 cm
Roman Candio

*1935 Murgenthal AG

Das künstlerische Werk des Solothurner Künstlers Roman Candio ist durch eine grosse mediale und thematische Vielfalt gekennzeichnet. Es beinhaltet unter anderem Zeichnungen, Aquarelle und Acrylbilder sowie Wandgemälde, Glasmalereien, Webereien und Textilcollagen. Für sein malerisches Schaffen und seine zahlreich realisierten Kunst am Bau-Projekte wurde Candio 1991 mit dem Kunstpreis des Kantons Solothurn ausgezeichnet.
Zentral im Werk des Künstlers ist die Farbe. Seine Arbeiten stehen im Zeichen der abstrakten Kunst und Pop Art der 50er und 60er Jahre. In seinen Bildern malt der Künstler Alltagsobjekte, Stillleben, weibliche Akte und Landschaften, die mithilfe von flächigen, deckenden Farbfeldern dargestellt sind. Diese Gestaltungsweise seiner Bilder erinnert an die Ästhetik von Drucktechniken, beispielsweise des Siebdrucks, der für die Pop Art von zentraler Bedeutung war. Der Holzschnitt «Ohne Titel» aus dem Jahr 1984 reflektiert Candios Auseinandersetzung mit druckgrafischen Techniken und zeigt eines seiner am häufigsten bearbeiteten Motive, den weiblichen Akt. Der Holzschnitt, die gleichmässig deckenden Farbflächen und der unregelmässige Umriss des weiblichen Körpers greifen zentrale Themen der Pop Art auf; die serielle und maschinelle Reproduktion, sowie die organische Makelhaftigkeit der menschlichen Ausführung.

Raffaella Chiara, Ohne Titel, 2006, Fotoätzung, Kaltnadel auf Bütten, 38 x 55 cm
Raffaella Chiara

*1966 Langnau i. E.

Stadt und Architektur sind zentrale Themen in Raffaella Chiaras Schaffen. In ihrem Bestreben, die Welt exemplarisch zu erfassen, macht sie in ihren Zeichnungen gezielt ästhetisch-formale Anleihen bei wissenschaftlichen Methoden zur Vermessungen von Räumen. Das unbetitelte druckgrafische Blatt, das aus zwei, mittels Fotoätzung reproduzierten historischen Stadtaufnahmen und darüber gelegten, parallel gezogenen Linien in Kaltnadeltechnik besteht, spielt mit solchen Referenzen. Während in der Luftaufnahme links die Vertikalität der beiden Figuren und der gotischen Türme durch die senkrechten Linien betont und nach oben in die Unendlichkeit verlängert werden, scheinen die schräg angelegten Linien der gestuften Silhouette des Gebäudes im Hintergrund der zweiten Ansicht zu folgen. Die dynamisch gezogenen Striche stellen somit nicht eine Störung der historischen Stadtaufnahmen dar, sondern sind eher Mittel der Bild- und Raumanalyse und stehen mit den Fotografien in einem spannungsvollen Dialog.

Eduardo Chillida, Bi Esku II, 1978, Radierung auf Bütten, 22 x 29 cm
Eduardo Chillida

*1924 in San Sebastián, †2002 ebenda

Der baskische Künstler Eduardo Chillida fand über die Bildhauerei und die Eisenplastik Zugang zur Druckgrafik. Nach dem Abbruch seines Architekturstudiums wandte sich Chillida der Bildhauerei und wenig später – nach einem Aufenthalt in Paris – der Eisenplastik zu. Schon bald zeichnet sich sein Hauptanliegen deutlich ab: Ihn beschäftigt der dreidimensionale Raum. Als er sich 1959/60 der Druckgrafik zu widmen beginnt, tauchen wieder dieselben Themen auf. Nun erforscht Chillida den Um- und Binnenraum hier nicht mehr im wirklichen, dreidimensionalen Raum, sondern auf dem zweidimensionalen Blatt, dessen Weiss als vorgestellter, perspektivenloser Raum gesehen wird.
Auf «Bi Esku II» werden mit einfachen Linien zwei Hände dargestellt. Die obere ist halb geöffnet und nach oben gewandt, die untere zu einer Faust geformt. Die einzelnen Finger, die Handfläche, der Handballen sind Einzelteile des Ganzen, d.h. der Hand. Dieses Ganze, also beide Hände, täuscht durch die Art der Darstellung Volumen und Körperlichkeit vor und scheint Raum einzunehmen. Es verdrängt ihn durch seine Masse, wird von ihm umgeben, umschliesst ihn aber auch in seinem Innern. Der Raum wird nicht mehr mit illusionistischen Mitteln vorgetäuscht, sondern aus der Fläche, aus dem Blattweiss heraus suggeriert. Anstelle von dreidimensionalen Gegenständen und dem sie umgebenden, perspektivisch dargestellten Raum treten in Chillidas druckgrafischen Blättern Elemente als Lettern auf.

Christo, Wrapped Venus, 1974, aus einer Mappe des Schweizerischen Kunstvereins, Lithografie in 4 Farben, 56 x 43.8 cm
Christo

(Christo Wladimirow Jawaschew)
*1935 in Gabrowo, Bulgarien,†2020 in New York City

Christo ist in Europa und Amerika als Verpackungskünstler berühmt geworden. Auf- und Abbau seiner aufwendigen Grossprojekte wurden mit grossem Medieninteresse verfolgt. Mit seinen Verhüllungen griff Christo unmittelbar in das Leben und in die Geschichte eines von ihm gewählten Ortes ein. Die Vergänglichkeit der Kunstwerke war ein wichtiger Aspekt von Christos Kunst. Das Erlebnis war zentral. Durch die Verhüllung wurde das nicht mehr sichtbare Objekt in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung gerückt.
In der Planungsphase seiner Projekte hatten Zeichnungen, Lithografien, Radierungen und Collagen eine wichtige Funktion. Der Künstler setzte sich darin mit technischen Daten, aber auch mit der Geschichte und den Besonderheiten des Platzes auseinander. Sie waren nicht nur Planskizze, sie waren wichtiger Bestandteil der künstlerischen Idee. Christo experimentierte mit unterschiedlichen Ansichten des zu verhüllenden Objekts, mit dem Einfluss von Tageszeiten und Lichtstimmungen. Dem Verkauf der Grafiken kam ferner noch eine ganz andere wichtige Funktion zu: Christo finanzierte damit seine grossen, sehr kostspieligen Projekte. In diesem Kontext entstand auch die Lithografie «Wrapped Venus». Es handelt sich dabei um eine Venus im Park der Villa Borghese in Rom. Christo hat sie im Dezember 1973 eingepackt ohne die Behörden um Erlaubnis zu bitten oder auch bloss davon in Kenntnis zu setzen. Während vier Monaten hat niemand an der verpackten Figur Anstoss genommen, denn «man ging davon aus, dass dies zum konservatorischen Schutz der Skulptur angeordnet war».

Pascal Danz, Cécile 1 oder 2, 2013, Heliogravüre, Aquatinta auf Bütten, 55,5 x 45 cm
Pascal Danz

*1961 Bangui bis 2015 Seydisfjördur

Der Maler Pascal Danz befasste sich intensiv mit der Fotografie, die er als ein spezifischer Zugang zur Realität verstand und ihm auch als Grundlage für seine Malerei diente. Die Motive sind meist sehr unspektakulär, ging es dem Künstler doch vor allem um die Erforschung möglicher Erscheinungsformen und Wahrnehmungsweisen von Wirklichkeit. Die Konzentration der Darstellung auf das Elementare ist ein von ihm oft eingesetztes Gestaltungsmittel.
In der Heliogravüre «Cécile» steht die Auseinandersetzung mit Licht und Schatten, Hell und Dunkel im Zentrum. Die druckgrafischen Techniken der Heliogravüre und Aquatinta eignen sich durch ihre Fähigkeit, Halbtöne differenziert wiederzugeben, besonders gut für diesen Zweck. Der Kontrast von Helligkeit als Resultat von Überbelichtung und den daneben im Dunkeln versinkenden Stellen der Darstellung haben auch eine inhaltliche Verbindung zum Stillleben, das unter anderem für Vergänglichkeit oder für das Verschwinden steht.

Urs Dickerhof, Lonely like a champion, 1970, Serigrafie auf Halbkarton, 75 x 60 cm
Urs Dickerhof

*1941 Zürich, lebt in Biel

Die Druckgrafik ist nur eines der Medien, die der vielseitige Künstler Urs Dickerhof verwendet. Das Blatt «Lonely like a champion» ist jener Werkphase zuzurechnen, in der der Künstler sich von der Pop Art hat inspirieren lassen. Im Zentrum seines Interesses stehen unter anderem die Stars der modernen Unterhaltungsindustrie. Ihr stereotypes Erscheinungsbild, das durch die Werbung und die Massenmedien verbreitet und zementiert wird, nahm Dickerhof zum Ausgangspunkt für seine Bilderfindungen. In «Lonely like a champion» ist es ein Cowboy, den er als dunkle Silhouette vor blauem Himmel und leuchtender Landschaft in Rot und Grün auf den Betrachter zureiten lässt. Die Serigrafie lebt von den satten, leuchtenden Farben und der schablonenhaften Darstellung der Landschaft und des Cowboys. Die Tatsache, dass die schematische Figur auf den ersten Blick als Cowboy erkennbar ist, macht deutlich, wie die Chiffren der modernen Industriegesellschaft funktionieren und in uns eingeprägt sind.

Marco Eberle, Pralinen, 2017, Siebdruck auf Papier, 65 x 50 cm
Marco Eberle

*1968, Grabs FL, lebt in Roggwil

Marco Eberle beschäftigt sich in seiner künstlerischen Arbeit mit den alltäglichen Dingen, die ihn umgeben. Sein Hauptinteresse gilt dabei den formalen und materiellen Aspekten industrieller Erzeugnisse. Für die siebenteilige Siebdruck-Serie «Pralinen» hat Eberle beispielsweise Pralinen-Verpackungen in den Fokus genommen. Auf spielerische Weise faltete er diese Schachteln auseinander, um die Abwicklung dieses dreidimensionalen Gegenstands zu erhalten. Inspiriert von der Schokolade, die sich in den jeweiligen Boxen befunden hat, teilt er den einzelnen Formen verschiedene Farben zu und überträgt sie in den Siebdruck. Mit der einfachen Methode der Abwicklung von Verpackungen macht Marco Eberle die verborgenen Formen dieser alltäglichen Dinge sichtbar. Dabei kommen unter anderem die ästhetischen Eigenschaften dieser Boxen zum Vorschein. Gleichzeitig führen die Werke vor Augen, dass manche Dinge komplexer sind, als wir sie uns vorstellen.

Franz Eggenschwiler, Fidschi-Insel, 1976, Holzschnitt auf Bütten, 41 x 30 cm
Franz Eggenschwiler

*1930, Solothurn bis 2000, Bern

Die Druckgrafik ist neben den Objekten und Objektakkumulationen die zweite wichtige Werkgruppe des Solothurner Künstlers Franz Eggenschwiler. Seine Experimentierfreude hat der Schweizer Druckgrafik in den 1970er Jahren zu neuer Bedeutung verholfen. Eggenschwiler wendet sich ab 1975 unter anderem dem Holzdruck zu. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass nicht für jede Farbe ein eigener Druckstock hergestellt wird, sondern aus einer Holzplatte verschiedene Formen ausgesägt, einzeln eingefärbt und für den Druck wieder zu einer Druckplatte zusammengefügt werden können. Durch diese Technik erreicht Eggenschwiler eine besondere Wirkung, wie beispielsweise das Blatt «Fidschi-Insel» zeigt: Die einzelnen Formen zeigen feine weisse Ränder, die durch den Sägeverlust entstehen und die Formen begrenzen. Gleichzeitig erzeugen diese Schnittstellen einen Hochdruckeffekt – im Gegensatz zur Maserung und Struktur der Holzplatte, welche einen Tiefdruckeffekt nachahmt.

Raphael Egli, Zimmereggwald, 2012, Radierung auf Papier, 33 x 27 cm
Raphael Egli

*1975 Will SG, lebt und arbeitet in Luzern und Emmenbrücke

Raphael Egli betreibt Malerei im klassischen Sinn. Die Auseinandersetzung mit der Landschaft steht dabei im Vordergrund. In grossformatigen Tafelbildern führt Egli unterschiedliche Interessen und Themen zusammen. Die direkte und indirekte Bezugnahme auf kunsthistorische Vorbilder wie beispielsweise Ferdinand Hodler, Felix Vallotton oder John Constable lässt ein komplexes Bildgefüge entstehen, in dem Kontraste aufeinander treffen: Groteske Situationen prallen auf liebliche Szenen, Flächigkeit wird durch Räumlichkeit aufgebrochen, Farbräume kontrastieren mit zeichnerischen Elementen, Abstraktion bricht immer wieder in die realistische Darstellungsweise ein. Seine Arbeiten sind gekennzeichnet von ihrer subtilen Ambivalenz, die konzeptionelle Ansätze mit emotionalen Ebenen verbindet und von einem hohen Bewusstsein für Bildtraditionen sowie einer spontanen Gestik geprägt ist.

Peter Emch, recto/verso, 2019, Holzschnitt auf Japanpapier, 91 x 61 cm
Peter Emch

*1945 Biel, lebt in Zürich

Der Holzschnitt ist Peter Emchs bevorzugte druckgrafische Technik. Oft druckt er seine Blätter selber in seinem Atelier. Als Druckstock kommen mitunter auch Fundstücke zum Einsatz. Die darin eingeschriebenen Spuren des Alters und der Geschichte integriert Emch künstlerisch in seine Kompositionen. Auch für das Blatt «recto/verso» hat Emch mit einer gefundenen Holzplanke gearbeitet. So widerspiegelt das Werk die Spuren der Geschichten, die das Stück Holz selbst auf sich trägt. Der mehrfarbige Abdruck zeigt im Bild schwebende Figuren, die sich wie auf Stelzen gehend durch den Raum bewegen. Daneben wachsen Türme und Baukräne in die Höhe. Die Darstellung nimmt unter anderem ein zentrales Thema des in Biel aufgewachsenen Künstlers auf, die Zeichnung. Die Figuren und deren Isolation voneinander wirken in ihrer Bildsprache spontan dahin gekritzelt. Die visuelle Vielschichtigkeit wiedergibt die zahlreichen Spuren, die sich auf der Holzplanke abgelagert haben.

Johannes Gachnang, The colossel monument for Ernie Bonks, 1967, Radierung auf Papier, 67 x 52 cm
Johannes Gachnang

*30.10.1939 in Zürich, †11.10.2005 in Bern

Heute kennt man Johannes Gachnang hauptsächlich als Direktor der Kunsthalle Bern und Verleger. Dass er von 1960 bis 1973 auch freier Künstler war, ist jedoch kaum bekannt.
Nach der Lehre als Hochbauzeichner arbeitete er nach 1960 in Paris und Berlin, um sich unter anderem im Bereich Architektur weiterzubilden. Nebenbei begann sich Gachnang mit Druckgrafik zu beschäftigen. Inspiriert von Paul Klee und Wols’ Grafiken begann er in Paris erste Radierungen anzufertigen. Während seiner Berliner Zeit entstand sein erster 12-teiliger Radierzyklus «Die neue historische Architektur des J.G. frei nach Fischer von Erlach» (1966), für den er den Kunstpreis der Stadt Berlin erhielt.
Nach verschiedenen Aufenthalten in Istanbul, Rom, Amsterdam entstanden weitere druckgrafische Serien zum Thema Architektur, die Einflüsse des Barocks, der byzantinischen und osmanischen Kunst, sowie Verweise auf die zeitgenössische Kunst aufweisen. In Arbeiten, wie zum Beispiel in der Radierung «The colossel monument for Ernie Bonks» (1967), schafft der Künstler höchst präzise, detaillierte, aber auch fantastische Stadtbilder.

Franz Gertsch, Dominique, 1997, Lithografie auf Papier, 50 x 40 cm
Franz Gertsch

*1930, lebt und arbeitet in Rüschegg

Seit den späten 60er Jahren begann Franz Gertsch grossformatige fotorealistische Bilder zu schaffen, die den weiteren Verlauf seiner Karriere prägten. Mithilfe der pointlistischen Technik gestaltete er Porträts von Personen aus seinem nächsten Umfeld und später auch international bekannte Musikerinnen. Seine Gruppenbilder sind Erinnerungsstücke der Hippiegeneration. Der Fotorealismus ermöglichte es dem Künstler einerseits den malerischen Duktus zu verdecken, andererseits zeugen seine Bildthemen, die Wahl von Sujets aus seiner engsten Lebenswelt, von einer subjektiv-emotionalen Ebene seiner Werke.
In den 80er und 90er Jahren gab Franz Gertsch die Malerei für kurze Zeit zugunsten der Druckgrafik auf. In seinen monumentalen Holzschnitten fanden sich lyrische Bildthemen, wie zum Beispiel Nahaufnahmen aus der Natur und Landschaften. Weiterhin spielten Porträts vor allem von Frauen in ihren frühen 20er Jahren aus seinem Umfeld eine zentrale Rolle. Wie unter anderem anhand des Werks «Dominique» aus dem Jahr 1997 erkenntlich wird, arbeitete der Künstler auch in der Druckgrafik mit der pointlistischen Technik, bei der Gertsch die Oberfläche des Druckstocks Punkt für Punkt mit dem Stichel aushob. Die Vorlage für die Lithografie «Dominique» ist ein Holzschnitt, den Gertsch einmal einfarbig gedruckt hat – dies im Unterschied zu anderen Porträts, für die er mehrere Motiv- und Tonplatten übereinander druckte.

Arno Hassler, Eruption II, 2010, Heliogravüre auf Bütten, 76 x 55 cm
Arno Hassler

*1954 Donath

Seit 1981 ist Arno Hassler im Atelier de Gravure in Moutier tätig. Lange Zeit beschäftigte er sich dort vorwiegend mit Lithografien. 1995 lernte er das Verfahren der Heliogravüre kennen. Die Heliogravüre ist eine Weiterentwicklung der Aquatinta-Radierung, mit der Fotos und Zeichnungen reproduziert werden können. Es ist ein aufwendiges und fehleranfälliges Verfahren, das Geduld und Genauigkeit erfordert. Die Beschäftigung mit der Heliogravüre und der Fotografie haben bei Hassler etwa zeitgleich begonnen. Lange hat er die eigene künstlerische Tätigkeit streng von der Arbeit mit anderen Kunstschaffenden getrennt und selbst keine Grafiken gemacht. In den letzten Jahren hat er dieses selbstauferlegte Gebot gelockert. Er druckt eigene Heliogravüren und merkt, wie die Fototätigkeit den Blick für die Druckarbeit schärft.
Die zwölfteilige Serie «Terraces» (2015) greift das Unterwegssein in fremden Gefilden auf. Verschiedene terrassierte Gelände sind zu sehen, welche die von Menschenhand veränderte Natur zeigen und in der Reihung zu einer Art Mustersammlung werden. Im Gegensatz dazu stehen Hasslers Blätter «Eruption I und II» (2010), die sich entladende Naturgewalt zeigen.

Jürg Häusler, Ohne Titel, 2008, Aquatinta, Kaltnadel, Aquarell auf Papier, 54 x 37 cm
Jürg Häusler

*1946 in Olten

Der Oltener Künstler Jürg Häusler liess sich an der Schule für Gestaltung in Biel zum Grafiker ausbilden. Im Anschluss studierte er Malerei und Bildhauerei an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin und Hamburg. Zurück in der Schweiz war er als Bühnenmaler am Theater tätig und erhielt einen Lehrauftrag im dreidimensionalen Gestalten an der Schule für Gestaltung in Biel. Seit 1971 lebt und arbeitet Häusler in Basel.
Jürg Häusler ist vorwiegend für seine Plastik- und Objektkunst im öffentlichen Raum bekannt. Während seiner künstlerischen Arbeit experimentiert der Künstler aber auch mit Drucktechniken und Zeichnungen. Als Grafiker wie als Plastiker befragt Häusler verschiedene Materialen und Techniken nach ihren gestalterischen Eigenschaften und kombiniert die jeweiligen charakteristischen Elemente miteinander. Seine Kunstwerke sind Collagen, in denen die klassischen Kunstgattungen und Bildinhalte dekonstruiert und aufgelöst werden.

Andreas Hofer, Durchschnittshäuser, 2016 - 2018, Holzschnitt mit ausgelaserten Pavatexplatten auf Papier, 71 x 51cm
Andreas Hofer

*1956 Trimbach SO, lebt und arbeitet seit 2009 in Bremgarten AG

Andreas Hofer ist medial vielfältig in den Bereichen Malerei, Zeichnung, Animation, Musik und Film tätig. Zentrale Aspekte in seinem künstlerischen Schaffen sind Räumlichkeit, Farbe und Bewegung. Diese finden sich in seiner Druckgrafik-Serie «Durchschnittshäuser» (2016 bis 2018) wieder, die auf einer Reihe von Schablonen in Form von Fertig-Einfamilienhäusern beruht. Der Künstler mit Solothurner Wurzeln fand die Vorbilder im Internet und kombinierte die Silhouetten einzelner Häuser miteinander. Durch deren Überlagerung mit lasierender Druckfarbe entstehen immer neue Kombinationen und Erscheinungsformen, aus denen sich ein Durchschnitt der Einfamilienhaus-Architektur herauskristallisiert.

Cécile Hummel, Weisse Mädchen, 2012, Offsetdruck auf Papier, 64.7 x 43.9 cm
Cécile Hummel

*1962 Münsterlingen, lebt und arbeitet in Basel

Die Überlagerung von Vorgefundenem und Konstruiertem ist eine wiederkehrende Methode im Werk Cécile Hummels. Fotografien bilden dabei oftmals die Basis. Mehrfach überblendet und überdruckt erhält die Darstellung der Serie «Weisse Mädchen» eine gewisse Unschärfe. Das in weissem Kleid posierende Mädchen wirkt irreal, manchmal wie eine Erscheinung, die sich schemenhaften in einer weissen Fläche aufzulösen scheint. Es wird hier einerseits die Fotografie als Zeugnis realer Begebenheiten und Stütze der Erinnerung thematisiert. Andererseits erhält die Fotografie durch die Bearbeitung eine poetische wie auch surreale Qualität, welche das verborgene Denken und Fühlen des Mädchens zum Zeitpunkt der Fotografie zum Ausdruck zu bringen versucht.